Es gibt bereits verschiedene Ansätze zur quantitativen und qualitativen Erfassung der Biodiversität: von einfachen Online-Tools wie BioScope bis hin zum komplexen Kriterienkatalog der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).
Mit dem vom BUND Bremen entwickelten und in einem Modellvorhaben erfolgreich erprobten Biodiversitätsindex kann nicht nur die aktuelle biologische Vielfalt auf einem Betriebsgelände erfasst und bewertet werden. Der Index bietet auch die Möglichkeit, das individuelle Potenzial zu ermitteln und gemeinsam mit den Unternehmen auszuloten, welche Maßnahmen kurz- bis mittelfristig umgesetzt werden können, um die Biodiversität zu erhöhen.
Der Index setzt sich aus zwei Teilen zusammen.
Der erste Teil beruht auf einer flächenbasierten Berechnung mit fünf Wertstufen.
Die niedrigste Stufe 0 (wertlos) beinhaltet versiegelte Dach- und Erdflächen sowie unbegrünte Vertikalflächen (Zäune, Mauern, Fassaden). Der höchsten Wertstufe 4 (sehr hohe Wertigkeit) sind alte heimische Bäume sowie mittelalte und alte Obst- und Nussbäume zugeordnet.
Bei der flächenbasierten Berechnung wird für jede Wertstufe zusammengefasst, wie viele Quadratmeter vorhanden sind. Dieser Wert wird mit der jeweiligen Wertstufe multipliziert. Anschließend werden die Ergebnisse für jede Wertstufe zusammenaddiert.
Beispiel:
Die so ermittelte Zahl (2.645) wird nun durch die Firmengrundfläche plus der potentiell geeigneten Vertikalflächen (z.B. 3.550 m²) geteilt und anschließend mit 100 multipliziert. Im beispielhaften Fall wäre das Ergebnis 75 Punkte (2.645 x 100 / 3.550).
Der zweite Teil setzt sich aus zusätzlichen Punkten für folgende Bereiche zusammen (max. 80 Punkte):
Anzahl an Bäumen: Wenn auf der unversiegelten Bodenfläche pro 500 m² mindestens drei Bäume (vorzugsweise heimische Gehölze von mind. 2 verschiedenen Arten) wachsen, dann werden 20 Punkte vergeben.
Vielfalt an Flächentypen: Wenn mindestens vier verschiedene Flächentypen der Wertstufe 2 und höher vorkommen, dann werden 20 Punkte vergeben. Dies ist z.B. der Fall, wenn sowohl Blumenrasen als auch Hecken, Brachen und Beete auf dem Firmengelände vorkommen.
Strukturreichtum: Wenn mindestens drei verschiedene Strukturen – hierzu zählen Stein-, Laub- oder Reisighaufen, Totholz, Sandarium, Wassertränke oder Nisthilfen an Gebäuden – in entsprechender Größe bzw. Anzahl vorhanden sind, werden 20 Punkte vergeben.
Barrieren / Fallen: Ist die Außenbeleuchtung artenschutzgerecht ausgeführt, gibt es 10 Punkte. Wenn keine erhöhten Vogelschlagrisiken vorliegen, gibt es weitere 10 Punkte.
Die Punktzahlen aus den beiden Bereichen werden addiert und bilden dann den Biodiversitätsindex.
Die Punktzahl gibt Auskunft über den Grad der Biodiversität.
Der Biodiversitätsindex wird für drei Varianten berechnet:
a) Ist-Zustand
b) Kurz- bis mittelfristig umsetzbare Biodiversitätssteigerung
c) Maximal mögliche Biodiversitätssteigerung
Um Außengelände naturnäher zu gestalten und die biologische Vielfalt zu steigern, sind einige, wichtige Leitlinien zu beachten, die sich auch im Index niederschlagen:
Lebensraum- und Strukturvielfalt schaffen: Ein vielfältiges Mosaik aus unterschiedlichen Strukturen fördert die Biodiversität. Blühwiesen, Staudenbeete, Vertikalbegrünung, Nistkästen, Wasserflächen, Bäume und Hecken, liegendes und stehendes Totholz, offene Sandflächen, Laub- und Steinhaufen dienen vielen Tieren als Lebensraum.
Heimische Arten pflanzen: Im Biodiversitätsindex werden heimische Pflanzen und insbesondere Gehölze als „wertvoller als nichtheimische Arten“ eingestuft. Das hat den Hintergrund, dass sich unsere heimische Pflanzen- und Tierwelt von den Insekten bis zu Vögeln seit Jahrtausenden gemeinsam entwickelt und z. T. in enger Spezialisierung aufeinander abgestimmt hat.
Artenreich pflanzen: Viele verschiedene, heimische Pflanzenarten mit ungefüllten Blüten, die Pollen- und Nektar bereitstellen, steigern die Biodiversität und führen dazu, dass über mehrere Monate ein vielfältiges Nahrungsangebot vorhanden ist und auch aus ästhetischer Sicht ist ein Blühaspekt über viele Monate ein Gewinn.
Mehr Bäume: Ein häufiges Negativbespiel stellen Parkplätze dar, die als große zusammenhängende, vollversiegelte Flächen ohne Vegetation ausgeführt wurden. Nicht nur um der enormen Hitzeentwicklung entgegenzuwirken, ist es wichtig, hier Bäume anzupflanzen, sondern dadurch kann eine solch lebensfeindliche Fläche auch ihre Barrierewirkung verlieren. Zudem stellen die Bäume mit entsprechenden Stauden- und Gehölzunterpflanzungen wichtige Trittsteine für viele Arten dar.
Hohe und breite Hecken anlegen: Je breiter und höher Hecken sind, desto höher ist ihr Wert für die Tierwelt. So können in Hecken, die höher als 2 m sind, viele Vögel nisten, wohingegen niedrige Hecken keine sicheren Nistmöglichkeiten gewähren. Auch hier gilt natürlich, dass standortgerecht heimische, fruchttragende Gehölze einzusetzen sind, da sie Nahrung für eine Vielzahl von Tieren von der Wildbiene bis zum Igel bieten.
Blühwiese statt Scherrasen: Weniger mähen fördert die Biodiversität, denn je häufiger gemäht wird, desto weniger Pflanzen und Tiere können dort leben. Um trotz des Aufwuchses einen „ordentlichen“ Eindruck zu ermöglichen, können schmale Streifen entlang der Wege öfter gemäht werden und größere „Inseln“ ausgespart werden. Eine erklärende Beschilderung zum „Insektenbuffet“ kann die Akzeptanz verbessern. Eine Anlage von mehrjährigen Wildblumenwiesen benötigt magere Böden an einem sonnigen Standort. Es sollte max. zweimal pro Jahr gemäht und das Mahdgut abgefahren werden. Es sollte nicht die gesamte Grünfläche auf einmal abgemäht werden, sondern Teile ungemäht bleiben, damit die Insekten einen Rückzugsort haben (abschnittsweises Mähen). Am besten bleibt das Mahdgut 1-2 Tage liegen, bevor es abgeräumt wird. So können mehr Insekten den Schnitt überleben.
Artenschutzgerecht beleuchten: Eine abendliche und nächtliche Außenbeleuchtung kann sich sehr negativ auf alle nachtlebenden Tiere auswirken. Allein bei den Insekten sind mehr als die Hälfte aller Arten nachtaktiv. Eine zeitlich und räumlich möglichst geringe Beleuchtung, eine warmweiße Lichtfarbe und eine Abstrahlung der Leuchten nur nach unten sind wichtige Kriterien einer artenschutzgerechten Außenbeleuchtung.
Vogelschlaggefahr reduzieren: Vogelschlag an Glas ist ein wenig berücksichtigtes Thema, das deutschlandweit zu ca. 100-115 Millionen verunglückten Vögeln führt. Extrem problematisch sind Übereck-Verglasungen, Spiegelflächen und Glasbereiche, die eine Durchsicht ermöglichen wie z.B. Verbindungsgänge aus Glas oder gläserne Vorbauten. Hier kann mit Hilfe von gemusterten Folien eine Entschärfung stattfinden, Greifvogelsilhouetten sind keinesfalls geeignet.